Als ich beschlossen habe meine Magisterarbeit zu veröffentlichen, habe ich nicht erwartet, dass es so kompliziert werden würde. Ich dachte, ich stelle das Dokument einfach als PDF auf die Webseite, natürlich unter eine freie Lizenz (CC-BY 3.0 DE), und dann kann jeder es runterladen, kopieren, verteilen, ausdrucken, zerschreddern wie er eben möchte, Hauptsache, ich werde als Urheber genannt, alles nur für Ruhm und Ehre. Reich wird man mit geisteswissenschaftlichen Büchern eh nicht. Das alles wäre gar kein Problem gewesen und auf diese Weise habe ich auch meine Hausarbeiten hier im Blog veröffentlicht. (Dafür könnte man auch öffentliche Wissenschafts-Repositorien nutzen, wegen Langzeitarchivierung und besserer Verfügbarkeit, aber auch so war ich zufrieden.) Open Access ist mir wichtig, weil ich daran glaube, dass wissenschaftliche Inhalte frei verfügbar sein müssen (mehr: Manifest der Digital Humanities). Dazu kam bei meiner Magisterarbeit der „einfache“ Wunsch, das Buch auf Papier drucken zu lassen, so richtig mit ISBN und Verlag und Eintrag in der Deutschen Nationalbibliothek.
Vielleicht klingt das seltsam für einen Menschen, der jeden Tag viele Stunden vor verschiedenen Displays verbringt, doch ich hege immer noch eine nostalgische Beziehung zum Papier. Papier hat viele tolle Eigenschaften: Ein Buch aus Papier kann man anfassen und riechen; wenn der Akku leer ist, dann nehme ich das Buch aus Papier und lese so lange ich möchte; man kann das Buch der Oma als Geschenk geben und sie weiß sofort, was man in den letzten Monaten seines Studiums so gemacht hat, als man keine Zeit für Besuche hatte und dass es etwas Wertvolles ist; vielleicht gibt es in zehn Jahren das Internet in der heutigen Form gar nicht mehr oder ein elektrischer Sonnensturm zerstört alle Festplatten der Welt; mein Buch auf Papier steht noch in 200 Jahren in der Bibliothek und wird danach wieder retrodigitalisiert; und wenn der Säuregehalt und die Luftfeuchtigkeit in der Bibliothek stimmen, dann steht das Buch noch länger dort, viel länger als je eine Datei und mit ihr die Software und Hardware zum Entziffern funktionieren können. Andere mögen entscheiden, ob meine Arbeit es denn auch wert ist, so lange aufbewahrt zu werden. Es gibt also Gründe das Papier immer noch zu mögen, dabei kenne ich selbstverständlich die Vorteile des digitalen Publizierens, ohne Frage, wieso sollte ich sonst diesen Text bloggen. Aber mit meinem Wunsch nach einem auf Papier gedruckten Buch, zusätzlich zur freien Digitalversion, begannen die Probleme.
Wir fassen zusammen:
Ich wollte ein Buch unter Open-Access-Lizenz drucken lassen und niemand hat mir das Ironie-Schild gezeigt.
Book On Demand (bzw. Print On Demand)
Meinen ersten Versuch startete ich bei „Book On Demand“-Verlagen. Mir persönlich ist es relativ egal, ob Fischer, Hogrefe oder Oldenburg als Verleger drauf steht. „Verlegen“, also ehrenwerterweise das Geld für den Druck vorstrecken, das tun die meisten Verlage schon lange nicht mehr. In meiner Erfahrung musste ich die Arbeit des Lektors und Verlegers selbst übernehmen, also den Text mit Word setzen, eine fertige PDF-Druckvorlage abliefern und dafür gutes Geld zahlen, wenn der Verlag einen guten Namen hat. Wofür brauche ich dann noch einen Verlag? Vielleicht fürs Cover, aber auch fürs Marketing, aber vor allem, weil Publikationen bei angesehenen Verlagen besser für den Lebenslauf oder die Wissenschaftskarriere erachtet werden. Vielleicht ein begründetes Vorurteil, trotzdem bleibt es ein Vorurteil, das mir persönlich zu teuer war. Ich bin dann doch eher ein Freund des digitalen Dogmas „publish first – filter later“, was bedeutet, dass der Verlag (und sogar das Medium) egal ist, wenn der Inhalt gut ist und dass der Inhalt überzeugen muss, nicht der Verlagsname. Ich habe mir also für meine Magisterarbeit (ca. 180 Seiten) drei Book-On-Demand-Anbieter genauer angeschaut:
- http://www.bod.de (Books On Demand)
- http://www.epubli.de (Verlagsgruppe Holtzbrinck)
- http://www.grin.com/ („Your knowledge has value“: Die Frage ist nur: Für wen?)
Meine Bedingungen waren wie folgt: Buch mit ISBN, Online-Publikation, Open Access. Die Preise für mich als Autor und den Käufer des Buches sollten stimmen. Ich wählte eine einfache Ausstattung (Paperback), verzichtete auf eine Autorenmarge und kalkulierte mit einer Auflage von 100 Büchern, weil ich vermutete, so viele innerhalb eines Jahres verkaufen zu können.
Die folgenden Angaben sind nur ungefähre und gerundete Schätzwerte anhand meiner Bedingungen, die ich in die Formulare der Anbieter eingetragen habe. Aktuelle und individuelle Angaben sowohl zu den Preisen als auch zu den Autorenverträgen befinden sich auf den entsprechenden Webseiten der Book-on-Demand-Verlage. Also, alles ohne Gewähr.
Name | Preis (100) | Laden-preis | ISBN | eBook | OpenAccess |
BoD Classic | 700€ | 12€ eBook: 5€ |
Ja | Ja | Nein (exkl. Nutzungsrechte) Info-Paket BoD |
ePubli | 850€ | Buch & eBook: 12€ | Ja | Ja | Nein (einfache Nutzungsrechte, Buchpreisbindung) Autorenvertrag ePubli |
Grin | 0 € | eBook: 35€ |
Ja | Ja | Nein (exkl. Rechte, nur eBook, Honorar) Autorenvertrag Grin |
Fazit: Book On Demand ist praktisch um schnell und günstig ein Buch zu drucken. Open Access und freie Lizenzen sind damit jedoch nicht vereinbar. Bei BoD und Grin muss man als Autor exklusive Nutzungsrechte einräumen, was eine Open-Access-Lizenz also ausschließt. Das liberalste Angebot hat ePubli, aber auch hier gibt es einen Passus im Autorenvertrag, der auf die Buchpreisbindung hinweist, die der Autor einhalten muss. Das heißt auch, der Autor darf das Buch später nicht kostenlos auf die Webseite stellen. Der günstigste Preis, den ich für die Online-Publikation bei ePubli einstellen konnte, war ca. 5€.
Am günstigsten für den Autor ist das Angebot von Grin, aber irgendjemand muss den Druck ja zahlen, also dann eben der Leser des Werks, der 35€ bis 40€ für ein dünnes Büchlein bezahlen soll. Bei ePubli und BoD Classic sind die Bücher sehr günstig, dafür muss ich als Autor für eine Mindestauflage von 100 Büchern das Geld vorstrecken und mich teils um den Vertrieb dieser Bücher kümmern. Book On Demand funktioniert für mich persönlich also nicht, schon alleine wegen der Unmöglichkeit unter Open-Access-Lizenz und kostenlos digital zu veröffentlichen und parallel das gedruckte Buch zu verkaufen.
Der „klassische“ Weg: Tectum Verlag
Nachdem Book On Demand keine Option war, machte ich mich auf die Suche nach einem Verlag, der Monographien unter Open Access Lizenz veröffentlichen lässt. Ich machte mich auf der Webseite Open-Access.net schlau und fragte in deren Mailingliste nach. Mittlerweile entsteht etwas Bewegung bei den Verlagen, so dass man heute einzelne Ansprechpartner dort findet, aber als ich die Buchveröffentlichung vor etwa einem Jahr plante, gab es genau keinen einzigen Verlag, der geisteswissenschaftliche Monographien unter Open Access Lizenz veröffentlichen wollte, geschweige denn wusste, was CC-BY-3.0-DE bedeuteten würde. Mittlerweile gibt es manchen Universitätsverlag und einige Projekte in diesem Bereich, man darf es vorsichtige erste Schritte in die richtige Richtung nennen. Beworben werden diese Möglichkeiten aber nirgendwo. Wer sich umdreht oder lacht…
Also wendete ich mich an den Tectum Verlag, mit dem ich bereits als Herausgeber für einen Sammelband von studentischen Hausarbeiten (Blumen für Clio) gute Erfahrungen gemacht habe und verhandelte besondere Bedingungen aus. Der Tectum Verlag aus Marburg ist ein Wissenschaftsverlag, der hauptsächlich Dissertationen und Abschlussarbeiten veröffentlicht, neuerdings auch Sachbücher. Vielleicht ist dieser Verlag nicht so renommiert wie andere auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Monograghien, aber wie gesagt, auf Verlagsnamen lege ich persönlich nicht viel Wert und meine persönlichen Erfahrungen bei der Zusammenarbeit waren sehr gut und ihr Geld wert.
Der Verlag kümmert sich um ISBN, Cover, Vertrieb (sowohl offline als auch online) und Marketing. Die Druckvorlage habe ich aus Kostengründen selbst erstellt, man kann Lektorat, Satz und Korrektur aber auch beim Verlag „kaufen“, wenn man möchte.
So habe ich meine Arbeit zur Ansicht eingeschickt und erwähnt, dass ich auf Autorenhonorar verzichte, jedoch mein Buch gerne unter der Creative Commons-Lizenz 3.0 DE veröffentlichen möchte. Ich habe den Autorenvertrag nach Zusage des Verlags mein Buch zu veröffentlichen dementsprechend angepasst. Bedingung seitens des Verlags war nur, dass diese Lizenz erst ein Jahr nach Veröffentlichung greift, bis dahin hat der Verlag die exklusiven Rechte für das Buch.
Ich finde, das war ein fairer Kompromiss, angesichts der anderen Autorenverträge, die ich bisher gesehen hatte. Er erlaubt dem Verlag wirtschaftlich zu arbeiten und mir die Vorteile beider Welten zu genießen. Nach einem Jahr gehen die Verkaufszahlen vermutlich eh wieder runter, so dass die freie Online-Publikation den Verkauf wohl eher wieder antreiben kann bzw. nicht weiter senken können wird. Auch der Ladenpreis ist nicht völlig überzogen, wenn auch nicht gerade billig. Natürlich hätte ich selbst mehr bezahlen müssen, wenn ich einen niedrigeren Ladenpreis gewollt hätte, das wäre zumindest verhandelbar gewesen.
Name | Preis (Auflage) | Laden-preis | ISBN | eBook | OpenAccess |
Tectum | 250 € (<100), inkl. 10 Autoren-exemplare, 0€ ohne Autoren-exemplare | 25€ | Ja | Ja | Ja (ein Jahr exkl. Rechte ab Veröffentlichung, danach CC-BY-3.0-DE) |
Wenn ich ganz auf Autorenexemplare verzichtet hätte, wäre das Buch sogar für mich kostenlos geworden. Aber ich wollte ein paar Exemplare verschenken können. Wenn man Monographien bei der VG Wort anmeldet, holt man das Geld aber locker wieder rein. (Übrigens: Der Vertrag mit der VGWort erlaubt auch Texte unter freien Lizenzen, im Gegensatz zu Verträgen mit dem musikalischen Gegenstück, der GEMA.)
Nun habe ich heute die Druckfahnen zugeschickt bekommen. Das Cover ist sehr passend zum Inhalt gewählt worden, alle meine Korrekturwünsche wurden umgesetzt (ich war in Sachen Nennung der Lizenzen der Cover-Bilder in der Titelei sehr pedantisch) und die Bearbeitungszeit blieb im Rahmen. Alles in allem fand ich die Zusammenarbeit sehr professionell und freue mich nun auf das Ergebnis, das bald im Buchhandel erscheint.
Foerster, Sascha: Die Angst vor dem Koreakrieg. Konrad Adenauer und die westdeutsche Bevölkerung 1950, Marburg: Tectum 2013 (ISBN: 978-3-8288-3213-8).
Alternative: Selbst einen Verlag gründen?
Während der Suche nach einem Verlag ist in mir die Überzeugung gewachsen, dass es bisher keinen Verlag gibt, der Open Access wirklich umsetzen möchte, ja sogar als ein Geschäftsmodell betrachtet. Also, wieso nicht selbst einen Verlag gründen, dachte ich. So habe ich mal grob zusammen gerechnet, was das kosten würde:
- ISBN-Liste beantragen (http://www.german-isbn.org/PDF/VLB-Preisliste.pdf; ca. 80 € jährlich)
- Cover selbst erstellen (1 Arbeitstag; Designer beauftragen, ca. 100€)
- Lektorat und Korrektur (ca. 10 Arbeitstage)
- Druckerei finden und Buch drucken (100 Stück, z.B. http://cpibooks.com, ca. 400€)
- Erstellung und Publikation der eBooks (1 Arbeitstage)
- Vertrieb (ca. 250€, Arbeitszeit?)
- Marketing: Webseite & Social Media (3 Arbeitstage, Hosting & Domain)
Wahrscheinlich liege ich mit den Schätzungen der Arbeitszeit unter den tatsächlichen Verhältnissen. Die Grundinvestitionen bleiben vermutlich trotzdem im niedrigen vierstelligen Bereich. Zeit ist natürlich auch Geld. Die Grundidee ist ganz einfach: Ein Verlag, der Bücher kostendeckend druckt und verkauft und online die Bücher kostenlos verfügbar macht, jeweils unter freier Lizenz. Da steckt natürlich schon die Gefahr des Modells drin: Jeder andere Verlag kann das Buch billiger drucken und unter freier Lizenz verkaufen. Oder keiner möchte es kaufen, weil es kostenlos verfügbar ist.
Eine Erweiterung des Geschäftsmodells könnte vorsehen, freie Inhalte mit CC-Lizenz wie Blogs, Wikipedia und andere freie Wikis als Buch auszudrucken und zu verkaufen. Die Autoren verzichten auf das Honorar, der Verlag arbeitet mit fairen Löhnen, der Buchkäufer bezahlt das Buch und die Entstehungskosten des Buchs. Blogger könnten einen Button in ihren Blog einkaufen: „Blog als Buch bestellen“.
Diese Idee hege ich schon länger, aber vielleicht brauche ich mal einen Realismus-Check, d.h. jemanden, der mir hilft den Business Case durchzurechnen, um festzustellen, dass es nicht klappt und dass es deswegen noch niemand macht. Noch schöner wäre es, Mitstreiter für diese Idee zu finden, so dass ein solcher Verlag entsteht. Die anderen Verlage dürfen die Idee gerne kopieren, dann hätte ich erreicht, was ich wollte.
Update 3. September 2014
Es scheint so, als müsste ich doch keinen Verlag mehr selbst gründen, da sich der Markt für OpenAccess-Publikationen ständig weiterentwickelt. Beispielsweise hat epubli mittlerweile eine neue Internetseite und neue Angebote. Auf dieser Internetseite wird auch explizit auf die Möglichkeit von CreativeCommons-Autorenverträgen hingewiesen. Das gibt Pluspunkte! Ich muss aber zugeben, dass ich die anderen Anbieter jetzt nicht mehr überprüft habe.
http://www.epubli.de/buch/wissenschaftliche-arbeiten
Als Dankeschön für das Crowdfunding bei den Nachkriegskindern habe ich dort auch testweise meine Diplomarbeit bei epubli drucken lassen und mit der Qualität war ich durchaus zufrieden.